Liebe Frau Krewald, Sie sind jetzt seit rund 6 Monaten Tenure-Track-Professorin an der TU Darmstadt. Vorneweg: Wie waren Ihre ersten Monate als Professorin?
Sehr spannend und abwechslungsreich! Ich habe mich sehr gefreut, dass meine neuen Kolleginnen und Kollegen mich so freundlich und offen aufgenommen haben und in unterschiedlichen Aspekten unterstützen. Im Vergleich zu meiner vorherigen Stelle in Großbritannien haben sich die Grundzüge meiner Arbeit bisher recht wenig geändert. Die Forschung und der Aufbau meiner Arbeitsgruppe stehen im Vordergrund. Mit meinen neuen Doktoranden führe ich bestehende Projekte fort. Außerdem sind schon mehrere Kollaborationen entstanden, in denen ich Doktoranden aus anderen Arbeitsgruppen dabei begleite, ihre Fragestellungen aus dem Labor durch quantenchemische Rechnungen zu beantworten. Während des Sommersemesters habe ich in einer Vorlesung Bachelorstudierenden die Grundlagen der Theoretischen Chemie näher gebracht. Anders als in meinen bisherigen Lehrveranstaltungen hatten sich die Studierenden eine Kreidevorlesung gewünscht – das war eine gewisse Umstellung. Insgesamt war es für mich ein toller Start und ich hoffe, dass es mit dem gleichen Schwung in den nächsten Jahren weitergeht.
Sie waren seit Januar 2017 in Großbritannien tätig. Inwiefern war der Karriereweg der Tenure-Track-Professur für Sie ausschlaggebend, um für Ihre weitere wissenschaftliche Karriere nach Deutschland zurückzukehren?
In Großbritannien hatte ich auch eine Stelle mit Tenure-Track, daher wäre ich nur ungern in eine Situation mit geringerer Absicherung zurückgekehrt. Dort hat das Tenure-Track-Konzept eine deutlich längere Tradition. Es gibt viele verschiedene Programme und Fördermöglichkeiten, die jungen Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen schon wenige Jahre nach der Promotion die Möglichkeit geben, vollkommen unabhängig zu arbeiten. Es war für mich eine auf vielen Ebenen bereichernde Zeit, aber trotzdem keine schwierige Entscheidung, wieder nach Deutschland zurückzukehren.
Die Breite der Forschungslandschaft hier ist einzigartig. Sowohl für grundlagenorientierte Fragestellungen als auch für anwendungsnahe Forschung gibt es hochqualitative Institutionen und Förderinstrumente. Wenn man sich mit grundsätzlichen Fragestellungen befasst, kann man nicht unbedingt absehen, in welchem Produkt die Erkenntnisse realisiert werden können. Häufig ergeben sich im Verlauf der Arbeit Erkenntnisse, die völlig ungeahnte Forschungshorizonte öffnen und neue Lösungswege für alte Probleme erahnen lassen. Die Vernetzung zwischen Grundlagenforschung und Anwendungsnähe ist daher extrem wichtig und wird an der TU Darmstadt beispielsweise über die interdisziplinären Profilbereiche und Partnerschaften mit Industrieunternehmen gelebt.
Das Tenure-Track-Programm zielt auf junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in der frühen Karrierephase ab. Es ist sicher herausfordernd, aber auch bereichernd, zu einem vergleichsweise frühen Zeitpunkt die Aufgaben einer Professorin oder eines Professors in Forschung und Lehre selbstständig wahrzunehmen. Welche Unterstützungsinstrumente gibt es an Ihrer Universität, Sie auf dem Karriereweg der Tenure-Track-Professur zu begleiten? Und nehmen Sie diese in Anspruch?
Ganz wichtig ist die Unterstützung im Fachbereich. Selbstverständlich wird erwartet, dass ich mich in die Lehre und die Abläufe vor Ort einbringe. Gleichzeitig ist vollkommen klar, dass ich diese Aktivitäten über den Verlauf der Tenure-Track-Phase schrittweise steigern werde.
Unabhängig vom Fachbereich bietet die TU Darmstadt Seminare mit externen Experten an. Lerninhalte sind beispielsweise Führungsfähigkeiten oder Lehrmethoden. Daran habe ich bereits teilgenommen und nicht nur Inhaltliches gelernt, sondern hatte auch die Gelegenheit, mich noch besser mit anderen Professorinnen und Professoren aus anderen Fachbereichen zu vernetzen.
Sie haben das Berufungsverfahren an Ihrer Universität bereits erfolgreich durchlaufen. Gibt es nach Ihrer Einschätzung Besonderheiten, die bei der Bewerbung auf eine Tenure-Track-Professur zu beachten sind?
Bei einer Tenure-Track-Professur wird mit stärkerer Zukunftsperspektive berufen. Daher muss die Berufungskommission nicht nur den bisherigen Werdegang sondern auch das Potential des Kandidaten beurteilen, was natürlich ungleich schwerer ist. Bei der Bewerbung scheint es mir wichtig, das eigenständige Forschungsprofil klar darzulegen und dabei auch die Entwicklung zu skizzieren. Gerade weil man eventuell noch nicht auf eine besonders lange Liste von Publikationen, Lehrerfahrungen, Drittmitteleinwerbungen etc. verweisen kann, wie es bei einem regulären Berufungsverfahren der Fall wäre, stehen überzeugende Forschungsideen und realistische Einschätzungen der Zeitskalen bis zur Realisierung im Vordergrund.
Was würden Sie einer jungen Wissenschaftlerin oder einem jungen Wissenschaftler raten, die bzw. der sich derzeit überlegt, auf eine Tenure-Track-Professur in Deutschland zu bewerben? Haben Sie konkrete Tipps?
Der Bewerbungszeitraum ist eine sehr intensive Phase. Da Ausschreibungen häufig nur über wenige Wochen laufen, ist es wichtig, die generellen Forschungsideen und Lehrkonzepte schon detailliert ausgearbeitet zu haben. Es ist in jedem Falle hilfreich, sie von vertrauten Mentoren oder Kollegen kritisch durchsehen zu lassen. Wenn man dann ein Konzept mit konkreten wissenschaftlichen Fragestellungen hat, ist der nächste Schritt, die Passung zur ausschreibenden Universität zu hinterfragen. Hinzu kommt, dass eine gute Vernetzung enorm wichtig ist. Erfolgreiche Berufungen sind im besten Fall Win-Win-Situationen: Man bringt neue Methoden und Ideen mit, kann mit interessanten Kollaborationspartnern vor Ort gemeinsame Projekte entwickeln, verstärkt oder ergänzt das Profil der Universität und kann sich in Lehrveranstaltungen einbringen, die einem Freude bereiten.