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TT-Interviews

Prof. Dr. Michael Hoch, Präsident der Universität Bonn

Welchen Stellenwert hat die Tenure-Track-Professur aus Ihrer Sicht im deutschen Wissenschaftssystem?
Der Stellenwert ist groß und er wächst noch weiter – und das ist eine sehr gute Entwicklung! Denn damit gibt es im deutschen Wissenschaftssystem neben dem „klassischen“ Weg über die Habilitation einen weiteren Karriereweg zur Professur. Es werden klare Perspektiven gegeben, für Verstetigungen und auch hin zu höherwertigen Professuren. Dies ermöglicht es herausragenden Talenten deutlich besser, sich zu entwickeln und die eigene Karriere zu steuern und zu planen, was wiederum automatisch die Attraktivität der Universitäten steigert. Und diese Attraktivität ist fundamental. Denn klar ist: Wir stehen nicht nur im scharfen internationalen Wettbewerb um die besten Forschenden und Lehrenden. Auch der demographische Wandel und der damit einhergehende allgemeine Fachkräftemangel erfordern es, dass wir als Universitäten konkurrenzfähig sind, um die klügsten Köpfe einer jeden Generation und aus aller Welt zu attrahieren, zu gewinnen und an uns zu binden.

Wenn Sie an die Wissenschaftskultur Ihrer Hochschule denken – hat sich durch die Einführung der Tenure-Track-Professur ein Kulturwandel eingestellt?
Die Universität Bonn hat die Tenure-Track-Professur bereits im Jahr 2009 eingeführt. Die Anerkennung eines neuen Karriereweges erforderte einen Wandel, vor allem auch in den einzelnen Disziplinen. Dieser ist zweifelsfrei gelungen! Inzwischen werden bei uns in jeder Fakultät sowie in unseren TRAs, den transdisziplinären Forschungsbereichen, Tenure-Track-Professuren ausgeschrieben. Daran lässt sich sehr gut ablesen, wie positiv die Erfahrungen waren und sind. Übrigens auch bei den Tenure-Track-Professor:innen selbst, die uns bestätigen, dass sie diesen Weg als eine große Chance für ihre Karriere empfinden.

Welchen Einfluss hat die Einführung der Tenure-Track-Professur in Deutschland auf die internationale Attraktivität und Konkurrenzfähigkeit Ihrer Hochschule?
Die Habilitation ist in anderen Wissenschaftssystemen ja nicht unbedingt verbreitet. Und das sogenannte second book bedeutet für viele, die sich nicht durch eine große, monographisch dargebotene oder eine kumulative Forschungsleistung für eine Lebenszeitprofessur qualifizieren wollen, ein Hindernis. Ja, es kann eben auch ein Grund sein, warum jemand nicht im deutschen Wissenschaftssystem Fuß fassen will. Genau hier macht uns die Tenure-Track-Professur international wettbewerbsfähiger. Wir brauchen sie, um international exzellente Wissenschaftler:innen aus aller Welt anzuziehen oder ihre Abwanderung zu verhindern.

Welche Chancen bietet die Tenure-Track-Professur für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in einer frühen Karrierephase?
Verlässlichkeit und Planbarkeit mit Blick auf die eigene Karriere sowie die Transparenz im Hinblick auf das Evaluationsverfahren. Das kann insbesondere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in einer frühen Karrierephase, bei denen dieser Schritt in eine besondere Familienphase fällt, besondere Chancen bieten. An der Universität Bonn bieten wir zudem vielfältige Qualifizierungsformate im Bereich der Personalentwicklung an und berücksichtigen hierbei natürlich auch Karrierewege aus der Wissenschaft hinaus, etwa im Bereich Wissenschaftsmanagement. Denn auch der Weg in andere Karrieren als der Lebenszeitprofessur ist eine Chance, die der Tenure-Track bietet.

Was ist aus Sicht Ihrer Hochschule wichtig bei der Gestaltung der Evaluationsverfahren? Wie werden die Professorinnen und Professoren bei der Vorbereitung darauf unterstützt?
An der Exzellenzuniversität Bonn werden die Evaluationskriterien für die Zwischen- und Endevaluationen bereits mit der Ausschreibung der Professur festgelegt. Das ist uns wichtig, damit die Erwartungen bereits bei der Bewerbung klar und verlässlich sind. Gleichzeitig müssen die Kriterien übergreifenden Maßstäben genügen. Auf universitätsweite Richtlinien zur Gestaltung der Kriterien haben wir uns im Rahmen unserer Tenure-Track-Ordnung verständigt. Im Evaluationsverfahren selbst sind bei uns verschiedene fakultätsinterne wie -übergreifende Gremien und Instanzen beteiligt, damit die Verfahren objektiv, transparent und qualitätsgesichert durchgeführt werden können. Zur Vorbereitung dienen den Tenure-Track-Professor:innen Informations- und Beratungsangebote der Personalentwicklung und des Berufungsmanagements. Sie können etwa Coaching-Einheiten zu selbstgewählten Themen in Anspruch nehmen, Trainings in verschiedensten Bereichen absolvieren oder an Vernetzungsaktivitäten teilnehmen. Darüber dürfen sie, wenn sie mögen, eine Mentorin oder einen Mentor zur Begleitung der Tenure-Track-Professur wählen. Verpflichtend sind bei uns zudem jährliche Statusgespräche mit der zuständigen Dekanin oder dem Dekan, damit die Wissenschaftler:innen bereits vor dem eigentlichen Evaluationsprozess ein regelmäßiges Feedback zu ihrer Entwicklung erhalten.

Welche Unterstützungsangebote zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf bietet Ihre Hochschule an? Wie adressieren Sie damit die Bedarfe der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in einer frühen Karrierephase?
Wir sind als familiengerechte Hochschule zertifiziert und bei uns unterstützen verschiedene Einheiten in unterschiedlichen Facetten der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Wir haben zum Beispiel einen sehr erfolgreichen Onboarding Service, der die Professor:innen bereits vor dem Dienstantritt in allen beruflichen und privaten Fragen unterstützt, die ihre Tätigkeit bei uns betreffen. Unser Familienbüro berät und unterstützt zudem bei Themen wie Kinderbetreuung, Mutterschutz und Elternzeit sowie zur Pflege von Angehörigen. Darüber hinaus gibt es eine große Vielfalt an Angeboten und Förderlinien des Gleichstellungsbüros sowie des Prorektorats und der Stabsstelle für Chancengerechtigkeit und Diversität. Besonders häufig werden übrigens Bedarfe in den Bereichen Kita-Suche und Schulanmeldung geäußert. Hierbei unterstützen wir nach allen Kräften. Zusätzlich halten wir aber auch ein Angebot für Notfall- und Ferienbetreuung sowie Babysitting vor. Außerdem beobachten wir, dass es sich zunehmend etabliert – und diese Entwicklung freut mich sehr –, dass eigene Kinder, sofern die Rahmenbedingungen dies zulassen, in Vorlesungen und Lehrveranstaltungen mitgebracht werden, und zwar nicht nur durch unsere Lehrenden, sondern auch durch die Studierenden.